Welche Verwerfungen hat Corona in der Fleischbranche ausgelöst? Darüber spricht Norbert Marcher.
••• Von Georg Sander
VILLACH. Die Marcher Fleischwerke sind ein traditionsreiches, österreichisches Familienunternehmen, das heute in dritter Generation geführt wird. Seit 2018 rangiert die Marcher-Gruppe unter den Top Ten der österreichischen Nahrungs- und Genussmittel-Hersteller. medianet hat mit Geschäftsführer Norbert Marcher über die aktuelle Situation gesprochen; die Themen sind naturgemäß die schwierigen Zeiten der Pandemie – und die derzeit im Trend liegenden Fleischalternativen.
„2021 setzte sich fort, was 2020 begann – nämlich Verwerfungen im Markt durch die Lockdowns und damit verbunden eine Verlagerung des Fleischverzehrs vom Außer-Haus-Verzehr hin zu den Haushalten”, erklärt Geschäftsführer Norbert Marcher.
Man verzeichnet gegenüber dem Vorjahr gefestigte Absatzmengen bei gleichzeitig preisbedingt leicht geringeren Umsatzzahlen. Steak-Artikel waren weniger gefragt, dafür erzielte man höhere Nachfragen bei Faschiertem und Dauerwurst.
Wichtig zu erwähnen sei, dass „in den Betrieben selbst die Herausforderung darin bestand, bei den vielen zusätzlichen Schutzmaßnahmen den Produktionsfluss weiter aufrechtzuerhalten”. Erfreulicherweise aus Sicht der Firma ist, dass man Covid-Cluster in den Betrieben vermeiden konnte.
Doch wie hat sich der Markt generell verändert? „Wir stellen Wachstum vor allem im Convenience- und fleischlosen Sortiment fest, Fleisch- und Wurst-Verbrauch bleiben auf stabilem Niveau”, weiß Marcher. Bei manchen Artikeln merke man zudem den Generationenwandel – waren bis Ende der 90er Jahre Wurstaufschnitt-Produkte in Großpackungen äußerst beliebt, wird jetzt eher zu kleineren Einheiten gegriffen.
Der Fleischkonsum ist mengenmäßig aus Marcher-Sicht seit Jahrzehnten mehr oder weniger gleich geblieben – und das auf gutem Niveau. Wegen des steigenden Wohlstands, auch in den Schwellenländern, nehme der Fleischverbrauch weltweit leicht zu. Doch es werde zu Veränderungen kommen, Stichwort Generationenwandel: „Die teils kritische Sicht der Öffentlichkeit auf die Form der Nutztierhaltung, allen voran der Ruf nach mehr Tierwohl, wird sich wohl sukzessive prägend niederschlagen.”
Der Trend zu Fleischersatzprodukten werde anhalten – in diesem Segment verfügt Marcher über einen jahrelangen Know-how-Vorsprung, allerdings sieht man die Sache differenziert. „Wir sind der Ansicht, dass Fleisch das hochwertigste Lebensmittel ist und eine enorme Bedeutung in unserer Ernährung hat”, erklärt Marcher. „Unsere fleischlosen Produkte sehen wir als Ergänzung, vielleicht als Alternative, aber nicht als Ersatz für Fleisch.” Auch um die Relation nicht aus den Augen zu verlieren, muss man festhalten, dass der Gesamtmarkt an Fleischersatzprodukten derzeit ein Hundertstel des Fleisch- und Wurstabsatzes darstellt; somit können selbst zweistellige jährliche Wachstumsraten in absehbarer Zeit nicht als „Ablösung des Fleischverzehrs” gesehen werden.
Auf die Frage, welche Parameter es braucht, um gute Produkte auch an die Kunden zu bekommen, meint Marcher, dass alle Fleisch- und Wurst-Produkte, die in österreichischen Supermarkt-Regalen vertreten sind, „gute Produkte” sind, im Sinne von einwandfrei hygienisch und nach gesetzlichen Vorgaben produziert. Natürlich müssten die Produktionsbedingungen in der Landwirtschaft im gesellschaftlichen Einklang erfolgen. Die Vorstellungen in „unserer pluralistischen Gesellschaft sind auch diesbezüglich mannigfaltig. Ein angemessener Schritt in diese Richtung ist die Entscheidung von Frau Bundesminister Köstinger, nur mehr Tierwohl-Ställe zu fördern”. Laut Marcher vertreibt der heimische Handel de facto weder Fleisch- noch Wurstwaren, deren Rohstoffe aus Übersee stammen, und diese Haltung sei zunehmend auch im Gastronomie-Großhandel bemerkbar.
„Die österreichische Landwirtschaft sorgt bei Schweinefleisch für einen Selbstversorgungsgrad von knapp über 100 Prozent, bei Rindfleisch liegt dieser Wert über 140 Prozent, was den natürlichen Produktionsbedingungen der österreichischen Landschaft gerecht wird. Wenn jedoch die Produktionsweisen einzelner Länder, beispielsweise Südamerika, das Klima stärker belasten, dann ist es legitim, dass die Politik hier korrigierend eingreift.”
Quelle: medianet.at